Individuelle, variable Arzneimittelwirkungen sind ein bedeutsames Problem, nicht nur in der Therapie von bereits bestehenden Erkrankungen sondern auch in der klinischen Forschung und Erprobung von potenziell neuen Medikamenten. Diese Variationen reichen von völligem Versagen des Wirkstoffs und als Folge dessen der Therapie, bis hin zu schwerwiegenden Arzneimittelreaktionen. Mögliche Ursachen dieser sogenannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind neben den üblichen Gewohnheiten der Person (wie z.B. Rauchen, Trinken usw.) auch Interaktionen zwischen Arzneimitteln, wenn mehrere Medikamente eingenommen werden und insbesondere die genetische Disposition. In den heutigen Industrieländern zählen unerwünschte Arzneimittelinteraktionen zu den häufigsten Behandlungskomplikationen und fallen unter die sechs häufigsten Todesursachen.

Es ist schon seit längerer Zeit bekannt, dass die unterschiedliche Verträglichkeit bzw. die Wirksamkeit von Arzneistoffen genetisch bedingt ist. Die Pharmakogenomik befasst sich diesbezüglich mit dem Aufspüren klinisch relevanter, genetischer Faktoren bzgl. des gesamten Genoms, wohingegen die Pharmakogenetik die Identifikation von genetischen Varianten allgemein unter dem Aspekt Pharmaka-Verträglichkeit umfasst. Im Fokus stehen hierbei Veränderungen in der DNA-Sequenz von Enzymen des Arzneimittelmetabolismus, primär Vertreter aus der sogenannten Cytochrom P450-Familie, der Multiple Drug Resistance-1 (MDR1)-Transporter sowie die N-Acetyltransferase 2 (NAT2) und die Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD).

Cytochrom P450

Die heterogene Gruppe der Cytochrome umfasst eine Reihe von Enzymen, welche die oxidative Biotransformation unterschiedlicher Xenobiotika- also auch Arzneistoffen- katalysieren. Sie besitzen eine hohe interindividuelle Varianz, welche zu einer veränderten Enzymfunktion führt. Diese Veränderung führt entweder zu einer schnelleren oder aber auch verzögerten Umsetzung und damit Wirkung des jeweiligen Arzneistoffs.

Zwei Drittel unserer gebräuchlichen Arzneimittel werden hierbei von der CYP3A4 Isoform im Körper metabolisiert, wohingegen ein Drittel durch die Enzymsysteme CYP2D6, CYP2C9 und CYP2C19 verstoffwechselt werden.

CYP3A4 ist die am stärksten exprimierte Isoform in der Leber. Von CYP3A4 ist bekannt, dass das Protein durch zahlreiche andere Stoffe gehemmt (Grapefruitsaft) bzw. induziert (Johanniskraut) werden kann. Dementsprechend wird bei gleichzeitiger Medikation von bestimmten Arzneistoffen zur Vorsicht geraten.

CYP2D6 ist an der Verstoffwechselung von ca. 20% der geläufigen Arzneistoffe beteiligt, darunter viele Psychopharmaka, Neuroleptika und Betablocker. Von Bedeutung ist dieses Enzym vor allem bzgl. Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tamoxifen, einem selektiven Östrogenrezeptormodulator, welcher zur Brustkrebsbehandlung eingesetzt wird. Genetische Varianten in CYP2D6 führen entweder zu einem Verlust (kein Metabolismus, dadurch Gefahr von Nebenwirkungen oder keine Wirkung), einer Einschränkung (verzögerter Metabolismus dadurch Gefahr von Nebenwirkungen) oder aber auch zu einer drastischen Zunahme (sehr schneller Metabolismus, dadurch Gefahr der Unwirksamkeit) der Aktivität des Enzyms.

CYP2C9 und CYP2C19 besitzen mit ca. 15% den geringsten Anteil am Medikamenten-Metabolismus, ihre Bedeutung ist aber umso größer. CYP2C9 ist u.a. am oxidativen Metabolismus von Arzneistoffen wie Antidiabetika, sowie Derivate des Cumarins, aber auch stark im Umlauf befindliche Wirkstoffe wie Ibuprofen und Warfarin beteiligt. Das CYP2C9 Gen ist hoch polymorph- mehr als 50 Varianten wurden beschrieben. Einige davon führen zu einer stark verminderten Enzymaktivität.

CYP2C19 metabolisiert Substrate wie Antidepressiva, Neuroleptika aber auch Protonenpumpen-Inhibitoren, welche bereits erfolgreich zur Ulcusprophylaxe verwendet werden. Der Stoffwechselweg über CYP2C19 dient auch als alternativer Weg für einige Substrate von CYP2D6. Genetische Variationen in CYP2C19 resultieren dabei in einem Verlust, einer Einschränkung oder Erhöhung der Enzymaktivität. Demzufolge ergeben sich unterschiedliche Metabolisierungsraten.

Multiple Drug Resistance-1

Ein weiterer, wichtiger genetischer Faktor, der eine entscheidende Rolle im Arzneimittelmetabolismus spielt, ist das MDR-1 Gen. Das Genprodukt ist das sogenannte P-Glycoprotein (PgP), ein Transmembranprotein, welches den aktiven Membrantransport vermittelt. PgP bewirkt zwar einerseits die Ausschleusung von Toxinen aus der Zelle, bedingt dadurch ist es aber auch ein großes Hindernis bzgl. der Wirksamkeit von Zytostatika. MDR-1 besitzt ein sehr breites Substratspektrum, darunter zahlreiche Stoffe die in der Chemotherapie eingesetzt werden: Cisplatin, Vinca-Alkaloide, Imatinib, Taxane usw. Eine Punktmutation im MDR-1 Gen führt dabei zu geringeren Expressionsraten des Transport-Proteins, wodurch sich toxische Metabolite in der Zelle letztendlich anreichern können.

Empfohlene Untersuchungen:
Cytochrom P450
MDR1
NAT2
DPD

Literatur
Wolf RC, Smith G, Smith RL. Pharmacogenetics. BMJ; 320: 987-990, 2000
Wellmann A (1999), Auf dem Weg zu individuell wirksamen Arzneien. Dtsch. Ärztebl. Jg. 96, Heft 40, 1999
Evans WE, Relling MV. Science, Vol. 286 no. 5439 pp. 487-491, 1999
Evans WE, Relling MV. Nature, 429 (6990):464-8, 2004
Pauli-Magnus C, Pharmacogenomics, 85: Nr 37, pp. 1963-1974, 2004


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